Bühne

Narrenschallen 2

Projekt

Wiederaufnahme und Neubearbeitung der Fassung von 2007. Gehe zu Narrenschallen 1

Ein Dorf schreibt Geschichte

Mayschoß an der Ahr, unterhalb der Saffenburg, hat davon 1000 Jahre.

Aufgeschrieben ist mehr als wenig. Erst kürzlich hat Yorik, der unsterbliche Hofnarr von der Saffenburg wieder ein kleines Paket Schriften eingereicht. Neues und Vergnügliches ist dabei, skurrile Wahrheiten und ergreifendes Schicksal.

Viel gute Musik rund um bewegende Geschichte

Die jemals schnellste Anmeldung einer Weingenossenschaft. Aus river Ahr naßkalt wird trockener RiverAhr. Bravo!

Hexenjagd und Marmorsarg, Kätt und Kat, zwei Frauen, ein Name: Katharina. Pech!

Virneburg Macht Rom am Rhein, die Medici der Sackeifel geh’n stiften!

Keine Seligkeit für falsche Knochen: Reliquien wie Guttenbergs Doktortitel die Durchleuchtetheit aberkannt!

Sie erleben ein musikalisch und sprachliches Highlight der Provinzkultur. Authentische Spitzenklasse aus’m Dorf. Mit two purple  –  seit 1000 Jahren Kultband an der RiverAhr.

Hier der aktuelle Flyer als PDF

Romeo, Julia und drei Sprachen

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Projekt

Theaterproduktion Romeo und Julia in drei Sprachen,
Familienvorstellung mit professionellem Ensemble

Inhalt

An einem Ort, Where civil blood makes civil hands unclean müssen Two households, both alike in dignity eine große Tragödie erleiden. 6 getötete Menschen, 5 davon in jugendlichem Alter. Romeo verliert seine geliebte Julia, seine Mutter Lady Montague und seinen besten Freund Mercutio, Julia verliert ihren Romeo, ihren Freier Paris und ihren Beschützer Tybalt.

Zu Anfang herrscht ein falscher Friede im Streit, dann verstricken und überschlagen sich Emotionen und Ereignisse und zurück bleiben unsägliche Trauer, allzu bekannte Ratlosigkeit und tiefer Schmerz.

Eltern behalten ihren Reichtum und verlieren ihre Kinder.

Setting


Beide Häuser sprechen eine andere Sprache.

Für Vorstellungen in Deutschland:
Englisch und Niederländisch; Stadtverwaltung, Polizei und Regierung sprechen Deutsch.

Für Vorstellungen in den Niederlanden/Belgien:
Die Häuser sprechen Englisch und Deutsch, die Amtssprache ist Niederländisch.

Dadurch wird im Publikum jede und jeder zur Partei. Und schnell wird klar: wer denkt, sich raushalten zu können, wer sich selber weg-argumentieren will, begeht einen großen Irrtum.

Duits Bloed, Dutch, Deutsch in Holland

Projekt

Entwicklung und Gestaltung von Unterrichtseinheiten Deutsch für niederländische Schulen der Sekundarstufen und zwar von der Bühne aus mit Gedichten und Liedtexten.

Der deutsche Zeigefinger

Ein holländischer Schuldirektor hat mir sehr deutlich gesagt, daß wir Deutschen zu oft den Zeigefinger heben, wenn wir etwas sagen. Nicht nur den sich meldenden Zeigefinger, Hallo, ich weiss was, sondern den belehrenden, Hallo, ich weiss was besser. Und dieses besser wissen sollten wir besser lassen, als Deutsche hier in den Niederlanden.

Über diese Belehrung habe ich nachgedacht. Und ich bin zu der Entscheidung gekommen, die euch und euren Direktor vielleicht nicht überraschen, hoffentlich aber auch nicht enttäuschen wird.

Ich tu das nicht. Ich lasse den Zeigefinger nicht weg. Ich zeige ihn. Denn aber ganz genau das ist ein wichtiger Teil der deutschen Dichter und Denker. Dieser Zeigefinger. Wir haben viele Kilometer Bücher aus den letzten Jahrhunderten im Regal, deren Schriftsprache diesen Zeigefinger benutzt, ihn soger verlangt, und auch beweist, daß er unumgänglich, nötig und nützlich ist. Ihr könnt ihn ja weglassen, ihr Niederländer mit eurem Erasmus, Calvin und Spinoza, Ihr mit eurer Kaufmannsmoral und vor allem mit diesem Mythos von Freiheit und Toleranz. Ich aber bin Deutscher, mit Zeigefinger.

Rede an die Jugendlichen

Ihr wisst allesamt, daß eure Zukunft entweder oder ist. Das ist immer so bei Entscheidungen. Ihr habt in den letzten Jahren begriffen, daß die Welt in die ihr reinwachsen sollt, nicht unbedingt á priori, von vornherein, die eure ist. Aber sie kann es werden. Ihr könnt diese Welt gestalten. Das habt ihr begriffen. Durch Erfahrung und Denken. Hand und Hirn in Balance, also Wechselspiel.

Jetzt kommts:

Egal wie ihr euch entscheidet, total egal, absolut und vollkommen egal, ob ihr Bauern oder Wissenschaftlerinnen werdet, Familien gründet oder Bestattungsunternehmer braucht, ihr werdet auf jeden Fall und ausnahmslos immer eure eigenen Stärken und ebenso eure eigenen Schwächen erleben. Ihr werdet viele intensive Momente der Entscheidungen erleben und begreifen.

„Was soll ich tun?“ Diese Frage taucht in eurem Leben stets öfter auf, und die Umstände, in denen diese Frage sich stellt, sind euch meistens fremd. Fremd, weil neu, noch nicht begriffen. Unerfahren ist das Fremde im Eigenen und das Eigene im Fremden ist unheimlich, nicht geborgen. Das ist die Welt des erwachsenen Seins, das ist, was euch erwartet im Leben.

Egal, wie ihr euch entscheidet. Es ist vollkommen egal. Ihr werdet trotzdem erwachsen.

Die Frage ist aber: Werdet ihr erwachsen in einem Zeichentrickfilm, in einem Horrorfilm, in einem Bierkasten oder in einem Lied, in einem Gedicht? Und von dieser Entscheidung hängt auch ab, mit wem ihr erwachsen werdet.

Werdet ihr erwachsen mit simplen und künstlich hergestellten Vorbildern von aussen, oder geht ihr den schweren, schwierigen Weg nach innen und versucht ernsthaft euch selbst heraus zu finden?

Idole sind solche Vorbilder und die Beschäftigung mit Idolen und deren Qualität ist spannend, wichtig und ergiebig.

Beide Videos auf dieser Seiten spielen Songs von Rio Reiser.

 

siehe auch

Artikel Goethe, Ein Gleiches

Ave Maria – mehr als ein Krippenspiel

Projekt

Im Jahre 2007 an der Montessori-Grundschule ‚De Binnenstad‘ in Arnhem realisiertes Weihnachtsspiel: Text schreiben, Casting, Besetzung, Disposition, Produktion, Regie, Bühnenbild, Requisite, Soufflieren, Licht- und Tontechnik und Conference in einer 1-stündigen Theater-Produktion mit mehr als 100 Kindern die ganze Zeit über auf der Bühne.

Die Setzung der Produktion war so denkbar einfach und funktionierte so dermaßen gut, daß ich dies gerne wiederholen möchte, wo auch immer es gewünscht wird. Die Alterspanne der Kinder war von 4 – 13 Jahre. Die Kleinsten wurden zu Schafen und Engeln verzaubert und flatterten und mähäähten überm Saalboden. Die Mittleren brachten Bethlehem zur damaligen Zeit und die Bibel-Figuren zum Leben. Die Ältesten spielten die Gäste der überfüllten Herberge.

Bilderbuch

 

 

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AveMaria Resumee 3,2 mb

AveMaria Stücktext 76 kb

 

brief van een entousiaste grootmoeder:

AvemariaBriefOma

Narrenschallen I

Auftraggeber

selbst

Projekt

Im Jahre 2007 wurde in Mayschoß/Ahr eine Dorfbühne annex Hofschenke neu gegründet. Zentrale Bühnenproduktion hierfür war Narrenschallen, eine kommende Heimatsaga.

Die 1000-jährige Geschichte der Saffenburg, des Dorfes Mayschoß und seiner Region wurde sehr ausführlich recherchiert und in ein 2-stündiges unterhaltsames Bühnenprogramm umgesetzt. Gemeinsam mit Peter Naekel und Hildegard Romes in ihrer Musikformation two purple gelang ein einzigartiges Revueprogramm, welches dem Publikum einen historischen, gefühl- und humorvollen Abend bescherte.

Selten war Heimatkunde so unterhaltend, provozierend und erfrischend.

Diese Produktion wurde gefördert vom Kulturamt des Kreis Ahrweiler.

 

wichtig ist mit wem

Interview aus dem Jahr 2007, anlässlich der Eröffnung der Fürst von Arenberg Bühne mit der guten Frau Schulze vom General-Anzeiger. Dieses Interview steht zur Zeit noch unter diesem Link. Wie lange noch, liegt ausserhalb meiner Gewalt, daher veröffentliche ich es hier nochmal.

Die unerhörten Geschichten hat niemand gehört

General-Anzeiger

Warum eröffnen Sie gerade in Mayschoß ein Theater?

Engelhardt

Ich kenne den Weinort durch meine Familie, meine Mutter lebt da, mein Vater ist in Mayschoß begraben, und ich habe schon früher Theater- und Videoprojekte mit Jugendlichen in der Verbandsgemeinde gemacht. Werner Söller vom Jugendbüro, der frühere Bürgermeister der Verbandsgemeinde, Hermann Heiser, und Prinz Pierre von Arenberg haben das initiiert und gefördert.

GA

Wo sind Sie aufgewachsen, und wie sind Sie zum Theater gekommen?

Engelhardt

Ich bin in Bonn geboren und habe schon mit 13 Jahren auf dem Hardtberggymnasium mit dem Theaterspielen angefangen. Nach dem Abi bin ich zur Westfälischen Schauspielschule nach Bochum gegangen.

GA

War das richtungweisend?

Engelhardt

Auf jeden Fall. Claus Peymann war Intendant am Schauspielhaus Bochum, ich habe da tolles Theater gesehen. Peymann hatte das Theater „Rote Grütze“ eingeladen. Die Berliner kamen mit einem fast vier Stunden langen Stück „Mensch ich lieb dich doch“, anti Drogen und pro Leben – und die Jugendlichen wollten nicht mehr nach Hause. Da wollte ich mitmachen, dabei sein, das war mein Theater.

GA

Welche Theater-Erfahrungen waren für Sie wichtig?

Engelhardt

Ich war beim Freien Theater, wo jeder von A bis Z alles macht und alles im großen Team besprochen wird. Wichtig war die Zeit in Hamburg. Wir haben die alte „Kampnagelfabrik“, in der das Hamburger Schauspielhaus zeitweise untergebracht war, vor dem Abriss und als Spielstätte für die Freien Theater gerettet.

Wichtig war auch die Zeit in den 80er Jahren im Theaterhof Priessenthal in Bayern, ein selbstverwaltetes reisendes Zelt-Theater. Später habe ich unter anderem klassisches Tourneetheater gemacht, am Kleinen Theater in Bad Godesberg gespielt, war im Osten, in Halle engagiert und hatte Gastrollen am Bonner Schauspielhaus, wo ich Michael Prelle kennen gelernt habe. Der tritt am zweiten Abend der Eröffnung in Mayschoß mit einer literarischen Weinlese auf. Das sollten sich Weinfreunde nicht entgehen lassen.

GA

Müssen wir uns in Mayschoß auf alternatives Theater gefasst machen?

Engelhardt

Nach der Eröffnung erwartet uns alle ein Prozess. Raum, Programm und Publikum müssen zusammenfinden. Für mich am wichtigsten ist im Moment, dass Publikum kommt, die Menschen sollen neugierig werden, das Theater muss sich etablieren. Theater muss aber auch geistig fordern und gemocht werden.

GA

Sie haben ein eigenes Stück für Mayschoß erarbeitet.

Engelhardt

Ja, „Narrenschallen“ soll in diesem Jahr das „Herz“ der Bühne sein. Es ist eine theatrale Chronik mit Musik zum Thema 1 000 Jahre Mayschoß, Saffenburg, Ahrtal, Region. Die Uraufführung ist am Donnerstag, 24. Mai, mit ständigem Einlass ab 18 Uhr.

GA

Wie ist das zu verstehen?

Engelhardt

Es werden vergnügliche Abende mit Musik und einer Szenenfolge aus der Geschichte des Saffenburger Landes. Wir suchen uns historische Momente aus, legen eine Lupe darauf. Die Mayschosser Chronik von Sebastian Schmitz, vor allem die Urfassung, enthält eine Fülle von unerhörten Geschichten, die noch niemand gehört hat. Es ist das Spiel eines Narren, der unsterblich ist, was er gar nicht witzig findet.

Zwischen den Szenen sind kleine Pausen, so dass immer neue Gäste kommen können, niemand in Zeitdruck gerät. Das Stück ist bis einschließlich Pfingstmontag zu sehen, am langen Wochenende nach Fronleichnam und dann wieder zum Weinblütenfest.

GA

Wie geht es danach mit dem Theater weiter?

Engelhardt

Lassen wir uns überraschen. Wenn das Publikum seinen Weg nach Mayschoß gefunden hat, können wir richtig schöne Geschichten machen. Für das Dorf plane ich übrigens ein Klavierkonzert am Karfreitag oder zu Weihnachten, einen künstlerischen Aschermittwoch, vielleicht auch Lesungen aus Goethes Faust zu Ostern.

GA

Sie sind nicht nur Leiter des neuen Theaters, sondern auch Schauspieler. Was spielen Sie am liebsten?

Engelhardt

Shakespeare, aber das ist nicht so wichtig, wichtig ist, mit wem. Außerdem ist nichts langweiliger, als in ein Fach gesteckt zu werden.

Artikel vom 12.05.2007

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Projekt

Proust-Zyklus in 4 Teilen nach dem Roman von Marcel Proust

von Guy Cassiers, Erwin Jans, Eric de Kuyper
Übersetzung aus dem Französischen ins Niederländische von Céline Linssen
Regie Guy Cassiers
Dramaturgie Erwin Jans

Auftrag

Übersetzung aus dem Niederländischen von 4 Theaterstücken mit insg. 50.000 Worten, unter Berücksichtigung des französischen Originals und diese während der Aufführungen der Berliner Festspiele 2005 live in die Kopfhörer der Besucher eingesprochen.

Auftraggeber

Ro Theater, Rotterdam

Referenz

Guy Cassiers: ‚Michael macht es fantastisch. Das Publikum in Berlin reagiert genauso wie in Rotterdam.‘

Bram de Ronde, Geschäftsführer Ro Theater Rotterdam: ‚Er gibt den Schauspielern maximalen Raum, ist ganz auf ihrem Atem und seine Stimme hat kein Ego.

Michael tut für das Theater genau das, was er am besten kann: dafür sorgen, daß das Publikum es versteht. (siehe auch hier)

Diese Produktion gewann den Berliner Festspiel-Preis ‚Spielzeit-Europa 2005‘

De Volkskrant 15-11-05:

Valentin Jeker – nie fertig

Lieber Valentin,

vielen Dank, daß ich bei einigen deiner Arbeiten dabei sein werde.

Einfach wird es nie, Du wirst oft laut, manchmal sehr, manchmal gemein, aber immer mit offenem Visier, immer auf der Suche nach dem Unsicheren, dem Unsagbaren, dem Grenzwertigen.

Du forderst Sprache, Denken, Fühlen und Wachsein zwischen allen Augenblicken, willst unbedingt aufdecken die Hintergründe, tiefer in die Seele schauen, lieber politisch unkorrekt stänkern als vor dem Abonnement bückeln, lieber Buhrufe riskieren als Verschlafenes dulden.
Du hast keine Angst – vor niemand und du verlangst keine Angst – vor allem nicht vor Dir.

Und vor, neben, in und über allem: niemals, niemals ausruhen auf bereits Erreichtem. Alles ist Vorstufe, nie bist du fertig. Da baumelte der Castor im Schnürboden und da tobte die bodenlose Pfütze unter der Revolution.

Mein für ewig hängenbleibender Dialog mit Dir:

„Müller, da ist zuwenig Angst drin!!“
„Aber ich spiele doch die Angst ganz groß“
„Du sollst die Angst nicht spielen!! Du sollst sie haben!!!“

Deine Streitlust, deine Bereitschaft zur Konfrontation mit den Aufrichtigen und deine kompromisslose Ablehnung von Heuchelei, Karriere-Schmiererei und oberflächlicher Hudelei werden mich jahrelang begeistern und faszinieren.

Danke, Valentin.

 

Gespielt im Schauspiel Bonn: Dantons Tod, Yvonne – Prinzessin von Burgund, Rose Bernd, Der blaue Boll

Landestheater – Tütensuppenbühnenkaspar

Mein Freund Wilfried, dieser Knattercharge der allerersten Stunde, dieses knutschbare Naturtalent in Sachen knapp daneben in Ton und Moment, dieses liebevolle Lebend-Museum der rezitativen Töne, dieses lyrische Naturereignis habe ich knapp 100 Mal nach unseren Vorstellungen von D. nach Hause kutschiert bevor ich weiterfuhr nach Arnheim, und unsere Gespräche in diesem Escort-Service waren so gottergreifend gut und Landestheater-aus-den-Angeln-hebend, daß ich mir heute noch vor Freude in die Hosen kneife. Wir haben die Landesbühne neu erfunden, redend und streitend, und haben es bei der nächsten Probe auch umgesetzt.

Zum Beispiel der entspannte Daumen. Da gabs einen schlechten Regisseur mit schlechten Ideen, der korrigierte auf der allerersten Probe sofort den Daumen. Wirklich. Bei der allerersten Probe, wo jeder und jede noch überhaupt nicht weiß, was, wie, wann, wo, da sagt dieser schlechte Regisseur mit den schlechten Ideen: dein Daumen! Entspanne deinen rechten Daumen. Und dabei blieb es. Jede Probe war’s mindestens einmal der Daumen, meistens der rechte. Wilfried und ich haben uns stundenlang im Escort-Service darüber ereifert. Und die Lösung war wunderbar. Wir bieten dem schlechten Regisseur den Daumen zum Fraß an. Und weil er immer auf den Daumen achtet, können wir obenrum das spielen, was wir für richtig halten. Und so wurde es auch. Wir haben kleine und immer größer werdende Veränderungen der Inszenierung angebracht, jedesmal von einem verspannten Daumen begleitet. Der schlechte Regisseur rief: ‚der Daumen!‘ ich entspannte denselbigen, spielte aber die bessere Fassung, und der Regisseur sagte erleichtert: ’so ist’s gut‘. Wilfried und ich haben tatsächlich die Szenen uminszeniert ohne daß der schlechte Regisseur es gemerkt hat.

Ich weiß. Das hat mit gutem Theater nichts zu tun. Aber es wurde ein wenig weniger schlecht.

Das Drama des unbegabten Landestheaters ist, daß niemand jetzt und hier mit Lust das erarbeiten will, was nötig ist. Statt dessen wurden die Subventionen ‚miss-braucht‘, um einen besseren Vertrag an einem besser bewerteten Theater zu ergattern. Das war der leitende Fokus, daher störten alle Fragen.  Ehrlich: was wir da abgeliefert haben war öfters unter aller Sau. Leider konnten wir’s nicht besser. Manchmal durften wir’s nicht besser.

Sodann gings schief, neues theater Halle

Man sollte sich das lieber nicht vorstellen: nach 15 Jahren selbstbestimmtem Theater im Westen, nach nächtelangen Emanzipations-Diskussionen, Gewaltfragen und Gleichberechtigungsbemühungen lande ich im August 1993 in der Spielzeitansprache des Intendanten Peter Sodann in Halle. In fließendem Sächsisch treffen mich die Worte:

‚Und jetzt noch eine Aufforderung an unsere Frauen im Ensemble: Minirock anziehen und Schnauze halten. Wir wollen attraktive Frauen auf der Bühne und keine Problemzicken.‘

Natürlich wollte ich zickzacke aufstehen und etwas erwidern. Doch die gute Marie Anne Fliegel hielt mich energisch am Ärmel zurück und zischte: ‚wenn du jetzt was sagt, wirst du hier niemals einen Fuß auf die Erde kriegen. Er macht dich fertig, jeden Tag, erbarmungslos.‘

Ich habe tatsächlich geschwiegen und hatte davon keine Vorteile sehrwohl aber plöde Dräume.

Desweiteren war dieses Theater ein Machttempel der Angst und um es hübsch kompliziert zu machen, sein Chef ein sehr guter Schauspieler mit ausgeprägtem Machtsinn.

In meinen wenigen Monaten in Halle durfte ich aber noch an einem Kulturgut der DDR und des neuen theaters schnuppern. Die Revuen, die 40er, 50er und 60er Jahre Revue, in eine VoPo-Uniform gesteckt, DDR-Lieder singen, Witze über den Osten machen, die ich nicht verstand aber so erzählen musste, daß der Saal sich kaputt lacht, FDJ-Fähnchen schwenken, also irgendwie Good Bye Lenin Rolle rückwärts.

Vom Sodann nahm ich sodann ein Prinzip der totalitären Machtverwaltung mit. Er sagt mir: ‚In einem großen Betrieb wie diesem gibt es immer immer viele bedrohliche Probleme. Und die einzige Chance, diese Probleme zu beherrschen ist: Du mußt sie selber schaffen. Dann hast du auch die Kontrolle.‘

Vielleicht liebte Sodann ja das Theater, mehr noch liebte er die Probleme. Nämlich seine eigenen.

Zahn um Zahn mit Kurt Hübner

Nach 10 Jahren im freien Theater suchte ich 1991, was ich direkt nach der Schauspielschule gemieden hatte: die Provinz. Ich ging Vorsprechen.

Meine Agentur schickte mich nach Berlin, man suchte einen Lancelot Gobbo, Fürs Kleine Theater in Bad-Godesberg unter Walter Ulrich, Regie: Kurt Hübner.

Bad-Godesberg fand ich super, da wurde ich geboren, Hübner fand ich super, der Mann hat Ahnung, Walter Ulrich war mir unwichtig. (Fehleinschätzung).

Die Rolle wollte ich wirklich haben. Ich ging nach Berlin zum Hübner. Und nach einer sehr amüsanten Stunde Vorsprechen hörte ich diese wunderschönen Worte: ‚Schicken Sie doch bitte alle nach Hause und rufen Sie den Ulrich an. Wir können proben, wir haben einen Lancelot.‘

Die Probenzeit entwickelte sich zum interessantesten und schönsten Theatererlebnis bis dahin.

Kurt Hübner, 75 Jahre jung, saß kerzengerade auf seinem Stuhl, nie angelehnt, nie indisponiert, jederzeit mit Adleraugen und scharfen Kommentaren versehen, immer menschenfreundlich und immer aufs erklärte Ziel fixiert. Er forderte und schaute, frug und ließ wiederholen. Und er bekam was er suchte. Es war sein fünfter Kaufmann von Venedig und wie er sagte, er hatte zum ersten Male das Ende geknackt. Eine Ohrfeige von Portia ins Gesicht des Bassiano war Krönung und Lösung des Spiels.

Generalprobe war morgens um 10 Uhr angesetzt, Premiere am selben Tag abends, mit Bonner Prominenz, Theater-Schicki-Micki und dem Ehrengast Richard von Weizsäcker. Und dann gings total daneben bei mir.

Am Abend vor der Generalprobe begannen grauenhafte Zahnschmerzen im, am und um meinen Schneidezahn, also überall im Kopf, daß ich wirklich nicht mehr weiter wußte. War aber alleine. Idee der Not: da ist noch Whisky, trink Brüderchen, dann kannst du schlafen. Aber nachdem die zu 3/4 gefüllte Flasche 100% leer war, waren die Schmerzen noch da und an Schlaf nicht zu denken. Morgens um 8 Uhr rufe ich meinen Zahnarzt an, ja ich muß sofort kommen, nein, morgen ist zu spät; JETZT!!

Dann das Theater anrufen, Generalprobe verschieben, Angstschweiß mischt sich mit noch aktiven Rest-Whisky und Schmerz Schmerz Schmerz. Na Bravo, das Theater ruft. Der Zahn kracht raus, er stinkt unglaublich. Dann zur Probe. Ich bin nicht mehr Ichselbst. Spiele lustlos, in Trance, Blut um die Lücke im Maul, scheißegal, hauptsache irgendwie und irgendwas. Meine Ausbildung, meine Erfahrung, meine sensible Seite, Professionalität, Körpergedächtnis, Stimmbeherrschung, Proben… alles weg. Generalprobe beendet, ich ein Haufen Nix, Kollegen kümmern sich, alles ist dämlich-schwämlich. Kommt der Hübner zu mir, lächelt glücklich und sagt: ‚Das war Weltklasse. Sensationell. Schade, daß du nicht zu jeder Vorstellung einen Zahn rauswerfen kannst.‘ Tja, diese Generalprobe kann ich nicht wiederholen. Selbst wenn ich es wollte.

Und Richard von Weizsäcker? Er bekam jedemenge Spucke auf den Frack, aus dem Lückenmaul vom Gobbo. Weil er saß ja in der ersten Reihe Mitte.

Endlich doch. Theater, so wie ich es mag. Jetzt halt in der Provinz.

Kurt Hübner verstarb im August 2007, jammer.

Mensch Herrmann

Unser wunderschönes Text-Bild-Buch gibt es noch!
Mittlerweile 30 Jahre alt, aus gut gelagerten Beständen

bei Müller-Lütolf in der Schweiz.

Produktion

Theaterhof Priessenthal, Theaterhaus Stuttgart, Bremer Shakespeare Company und Theater Rote Grütze

mit

Martin Lüttge, Norbert Kentrup, Michael Müller-Engelhardt; Buch und Regie: Holger Franke; Musik: Angi Domdey; Ausstattung: Gudrun Schretzmeier  (Uraufführung: 27.10.1988)

Inhalt

Herrmann steht für Jedermann. Er ist zwischen 30 und 45, Lehrer von Beruf, politisch engagiert, gefrustet. Er zweifelt an sich und der Welt und würde am liebsten aus eben dieser Welt verschwinden – wenn es ihm nur gelänge. Diverse elegante Freitod-Versuche scheitern jedoch, und so bleibt Herrmann nur die Flucht nach innen. Eine aufregende Tag-Nacht-Traumreise beginnt. Passagiere an Bord sind: Gott und Luzifer, Engel und Teufel, Adam und Eva.

Eva und Adam haben den Apfel der Erkenntnis genossen und ihre Erleuchtung durch einen Liebesrausch im Gras vervollkommnet. Da verfinstert sich der Himmel, ein Engel übermittelt Gottes Zorn über den Sündenfall. Gott selbst aber ist auch ein Sünder, denn er verlangt von seinen Menschenkindern Schamgefühle und Unterordnung. Und nicht Eva, sondern Adam versündigt sich, weil er Gott gehorcht. Die vitale Eva lässt sich nicht zähmen und bereut den Biss in die Frucht der Erkenntnis nicht. Und der listige Umstürzler Luzifer bringt Gott bei, dass Schöpfung unvollkommen bleibe, solange sie an Gehorsam und Schuld gemessen werde. Diese menschenfreundliche Fassung der Schöpfungsgeschichte hat der deutsche Autor Holger Franke geschrieben. Es ist eine wahrhaft göttliche Komödie.

Presse

„Es ist vor allem den Darstellern, Norbert Kentrup, Michael Müller-Engelhardt und dem herausragenden Martin Lüttge zuzuschreiben, dass es Regisseur Franke gelungen ist, seine Geschichte derart spritzig und effektvoll in Szene zu setzen. Und Angi Domdey, deren Bluesstimme viele Szenen akustisch verfremdet, trägt viel dazu bei, dass die Gratwanderung zwischen Sentiment und Ernüchterung so wirkungsvoll aufgebaut werden kann.“ (Hartmut Zeeb im „extra Blatt“)

„Letztes Bild des Abends: Engel und Teufel tollen verliebt und versöhnt im Bett. Gottvater ist vom Sockel gestoßen, Herrmann zieht augenzwinkernd den Vorhang zu. Dieses Augenzwinkern macht Holger Frankes Theaterproduktion zum sehenswerten Spaß. Es ist das ‘Rote-Grütze’-Augenzwinkern: die aus langer Jugendtheaterpraxis herübergerettete Fähigkeit, sich den Zuschauer warm zu halten, sozusagen Aug’-in-Aug’ mit ihm zu spielen. Das Publikum genießt, überrascht und wachsam, die ungewohnte Aufmerksamkeit, direkt ‘gemeint’ zu sein. Es herrscht die Ungezwungenheit eines Stegreif-Spiels und die Feierlichkeit einer durchbrochenen Konvention. Mensch Herrmann ist eine übermütige Zimmerschlacht, durch deren Heiterkeit schüchtern ein Goethesches ‘… ist gerettet!’ tönt.“ (Peter Kümmel, Stuttgarter Nachrichten)

„Es ist ein Vergnügen, Verwandlungsfähigkeit und Spielfreude von Martin Lüttge und seinen Partnern genießen zu können. Das Stück erfüllt den Traum des Theaterhauses von einer interessanten, vielversprechenden, geistreichen und doch unterhaltenden Eigenproduktion. Wo erlebt man heute noch, dass ein Stück tiefe Lebensfragen verständlich anspricht, sie im Alltäglichen ebenso aufspürt, wie in der Religion und dennoch das Publikum in einer heiteren Stimmung entläßt, die den Mut enthält, das eigene Leben, trotz aller schmerzhaften Widrigkeiten, selbst zu gestalten.“ (Cayo Kutzbach, SWF 2 für Kultur Regional)

 

 

Theaterhof Priessenthal – rund und schief

KollegInnen

Monika Kroymann, Marlen Breitinger, Martin Lüttge, Jan-Geerd Buss, Ulrike Schluhe, Lotte Llacht, Silvia Menzel u.a.

Produktionen

Das kalte Herz (Hauff), Hamlet (Shakespeare), Mensch Herrmann (Franke), Rattenfänger (Sage) sowie Dorfspiel ’88 und Helmbrecht

Stand das Theater Rote Grütze am Anfang meiner kollektiven Theaterarbeit, so stand der Theaterhof am Ende dieser Arbeitsform. Bis heute kann ich es nicht schlüssig erklären, wie so wunderbare, eindrückliche und zeitlose Lebens- und Bühnenprinzipien unvereinbar waren mit wirklicher Gemeinsamkeit. Der äußere Schein des Theaterhofes entsprach nicht seinen inneren Verhältnissen. Daß die Kraft, die wir ausstrahlten, nicht gefüllt war, sondern Projektion und Mythos, diesem Widerspruch sind wir ausgewichen, bis zur Lüge, bis zum ‚das habe ich so nicht gewollt‘.

Theater Rote Grütze Berlin

KollegInnen

Ingrid Ollrogge, Helma Fehrmann, Lutz Bublis, Günter Jankowiak, Holger Franke, Lilly Walden u.a.

Produktion

‚Darüber spricht man nicht‘, Kindertheater

fast 2 Jahre Vorarbeit, 250 Mal gespielt, von sehr viel Jubel und viel Kritik begleitet, manchmal unter Polizeischutz, manchmal in deren Gewahrsam, auf jeden Fall aber die theaterlogische Folge aus Kinderladen und politischem Volkstheater.

In den 1970 und 80er Jahren war die ‚Grütze‘ ein ganz starkes Kinder- und Jugendtheater in West-Deutschland.

 

Geschützt: Wie alles anfing

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