Landestheater – Tütensuppenbühnenkaspar

Mein Freund Wilfried, dieser Knattercharge der allerersten Stunde, dieses knutschbare Naturtalent in Sachen knapp daneben in Ton und Moment, dieses liebevolle Lebend-Museum der rezitativen Töne, dieses lyrische Naturereignis habe ich knapp 100 Mal nach unseren Vorstellungen von D. nach Hause kutschiert bevor ich weiterfuhr nach Arnheim, und unsere Gespräche in diesem Escort-Service waren so gottergreifend gut und Landestheater-aus-den-Angeln-hebend, daß ich mir heute noch vor Freude in die Hosen kneife. Wir haben die Landesbühne neu erfunden, redend und streitend, und haben es bei der nächsten Probe auch umgesetzt.

Zum Beispiel der entspannte Daumen. Da gabs einen schlechten Regisseur mit schlechten Ideen, der korrigierte auf der allerersten Probe sofort den Daumen. Wirklich. Bei der allerersten Probe, wo jeder und jede noch überhaupt nicht weiß, was, wie, wann, wo, da sagt dieser schlechte Regisseur mit den schlechten Ideen: dein Daumen! Entspanne deinen rechten Daumen. Und dabei blieb es. Jede Probe war’s mindestens einmal der Daumen, meistens der rechte. Wilfried und ich haben uns stundenlang im Escort-Service darüber ereifert. Und die Lösung war wunderbar. Wir bieten dem schlechten Regisseur den Daumen zum Fraß an. Und weil er immer auf den Daumen achtet, können wir obenrum das spielen, was wir für richtig halten. Und so wurde es auch. Wir haben kleine und immer größer werdende Veränderungen der Inszenierung angebracht, jedesmal von einem verspannten Daumen begleitet. Der schlechte Regisseur rief: ‚der Daumen!‘ ich entspannte denselbigen, spielte aber die bessere Fassung, und der Regisseur sagte erleichtert: ’so ist’s gut‘. Wilfried und ich haben tatsächlich die Szenen uminszeniert ohne daß der schlechte Regisseur es gemerkt hat.

Ich weiß. Das hat mit gutem Theater nichts zu tun. Aber es wurde ein wenig weniger schlecht.

Das Drama des unbegabten Landestheaters ist, daß niemand jetzt und hier mit Lust das erarbeiten will, was nötig ist. Statt dessen wurden die Subventionen ‚miss-braucht‘, um einen besseren Vertrag an einem besser bewerteten Theater zu ergattern. Das war der leitende Fokus, daher störten alle Fragen.  Ehrlich: was wir da abgeliefert haben war öfters unter aller Sau. Leider konnten wir’s nicht besser. Manchmal durften wir’s nicht besser.


Narrenschallen 2  |  Romeo, Julia und drei Sprachen  |  Duits Bloed, Dutch, Deutsch in Holland  |  Ave Maria – mehr als ein Krippenspiel  |  Narrenschallen I  |  wichtig ist mit wem  |  Auf der Suche nach der verlorenen Zeit  |  Valentin Jeker – nie fertig  |  Landestheater – Tütensuppenbühnenkaspar  |  Sodann gings schief, neues theater Halle  |  Zahn um Zahn mit Kurt Hübner  |  Mensch Herrmann  |  Theaterhof Priessenthal – rund und schief  |  Theater Rote Grütze Berlin  |  Geschützt: Wie alles anfing