Pathos

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Hölderlin und Pathos – da beugen sich einige Fußnägel. Liegt der Grund dieser Krümmung in einer Befürchtung, im Sinne von Fremdschämen? Ist es ein Geschmack, im Sinne des bildungsbürgerlichen Gewohnheitsohres? Ist es ein Vorurteil?

Was ist Pathos?

Ohne eine repräsentative Umfrage abgenommen zu haben, behaupte ich: Pathos ist heutzutage gleichgestellt mit ‚falschem Pathos‘. Was auch immer das nun wieder sei.

Dabei ist Pathos, jedenfalls dort, wo dieser Begriff begründet liegt, eine der drei Säulen der Redekunst, der Rhetorik: Ethos, Pathos, Logos.

Ich möchte hier nicht mit Schulwissen langweilen, ich möchte auch nicht oberflächlich in Modernsprech was abliefern, ich möchte deutlich machen, wie das Pathos mit dem Rhythmus verwandt ist, in der Poesie, vor allem in den Gedichten Hölderlins, zumindest in meiner Welt.

 

Hier nun erst einmal ein Einschub mit ausführlicheren Gedanken Dritter, es textet

ein akademischer Theoretiker, eine Beraterin und ein Webseiten-Optimierer.

 

Und eine, für mich jedenfalls, überraschende Erkenntnis gleich in den Fokus gestellt: Pathos ist das, durch die Rede erzeugte Gefühl im Zuhörenden.

 

Wer hätte das gedacht, außer den Fachleuten? Pathos ist nicht das Gefühl des Sprechenden, Pathos ist nicht eine emotionale Textpassage, Pathos entstellt sich drüben, auf der anderen Seite der Sprache, nach Erfassung und Durchgang durch den Bios von Ohr, Auge, und Atem, in und durch verarbeitendes Hirnareal sowie emotional besetzte Erfahrungs-Erinnerung. (Nebenbemerkung: hier leben meine Mythen.)

Was aber, hat das Pathos mit dem Rhythmus zu schaffen?

wem es gelingt, die Rhythmik der Verse im Verbund, nach vorne und zurück, zu erfassen, wer vertraut, wie auf ein Pferd oder einen Schaukelstuhl, wer sich traut, in die Worte und Klangfolgen der Verse zu fallen, wer nichts hinzugibt und wer nichts weglässt, was da steht, der (oder die) wird erleben, dass die Gedanken freigestellt werden. Dass es keinen (Nach)Druck der Stimme, dass es kein Gefühl in der gesprochenen Sprache, dass es nichts braucht, außer dem MundKörperKopfWerk des rhythmischen Sprechens, und, natürlich, eine Vorstellung im Geiste, dessen, was da gesagt wird.

Eine Versfolge, wie (Feiertagshymne, Str8 V2 ff)

Und tieferschüttert, die Leiden des Stärkeren / Mitleidend, bleibt in den hochherstürzenden Stürmen / Des Gottes, wenn er nahet, das Herz doch fest.

erzeugt dann, und nur dann ein Gefühl beim Zuhörer, wenn diesem Kommunikationsweg nichts im Wege steht. Kein eigenes Gefühl, keine Erklärung im Unterton, aber auch keine verschämte Zurückname aus Angst, falsches Pathos zu bedienen, und dann von Lehrmeistern ausgeschimpft zu werden.

Es ist nicht einfach, dieses Geschäft; aber, wem es gelingt, wer sich das traut, der (oder die) ist auf geraden Pfaden unterwegs. Auch wenn man die Kontrolle über diese Pfade im Moment des Sprechens loslassen muss. Volles Vertrauen in die Kunst! Die eigene und die fremde.

 

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