Sodann gings schief, neues theater Halle

Man sollte sich das lieber nicht vorstellen: nach 15 Jahren selbstbestimmtem Theater im Westen, nach nächtelangen Emanzipations-Diskussionen, Gewaltfragen und Gleichberechtigungsbemühungen lande ich im August 1993 in der Spielzeitansprache des Intendanten Peter Sodann in Halle. In fließendem Sächsisch treffen mich die Worte:

‚Und jetzt noch eine Aufforderung an unsere Frauen im Ensemble: Minirock anziehen und Schnauze halten. Wir wollen attraktive Frauen auf der Bühne und keine Problemzicken.‘

Natürlich wollte ich zickzacke aufstehen und etwas erwidern. Doch die gute Marie Anne Fliegel hielt mich energisch am Ärmel zurück und zischte: ‚wenn du jetzt was sagt, wirst du hier niemals einen Fuß auf die Erde kriegen. Er macht dich fertig, jeden Tag, erbarmungslos.‘

Ich habe tatsächlich geschwiegen und hatte davon keine Vorteile sehrwohl aber plöde Dräume.

Desweiteren war dieses Theater ein Machttempel der Angst und um es hübsch kompliziert zu machen, sein Chef ein sehr guter Schauspieler mit ausgeprägtem Machtsinn.

In meinen wenigen Monaten in Halle durfte ich aber noch an einem Kulturgut der DDR und des neuen theaters schnuppern. Die Revuen, die 40er, 50er und 60er Jahre Revue, in eine VoPo-Uniform gesteckt, DDR-Lieder singen, Witze über den Osten machen, die ich nicht verstand aber so erzählen musste, daß der Saal sich kaputt lacht, FDJ-Fähnchen schwenken, also irgendwie Good Bye Lenin Rolle rückwärts.

Vom Sodann nahm ich sodann ein Prinzip der totalitären Machtverwaltung mit. Er sagt mir: ‚In einem großen Betrieb wie diesem gibt es immer immer viele bedrohliche Probleme. Und die einzige Chance, diese Probleme zu beherrschen ist: Du mußt sie selber schaffen. Dann hast du auch die Kontrolle.‘

Vielleicht liebte Sodann ja das Theater, mehr noch liebte er die Probleme. Nämlich seine eigenen.


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